Mit der Wohnung verliert man auch den Verstand. Scheint landläufige Meinung zu sein. Hat man ihn wider Erwarten doch noch, merken die Leute, die einen von oben herab behandeln, das nur selten. Deswegen wirkt fast alles, was ermunternd wirken soll, eher herablassend. Die Äußerung „Soll ich das noch einmal wiederholen? Ich meine, nur so zur Vorsicht. Nicht, dass du meinst…“ klingt nicht einmal mehr nach Fürsorge.
„Hier ist es aber ganz schön sauber“, würde wohl niemand sagen, wenn er einen Freund in seinem Eigenheim besucht. Wohnt man aber in einer Notunterkunft, ist eine solche Begrüßung durchaus üblich. Wenn sich der Besucher deswegen auf die Lippen beißt, ist es längst zu spät für einen fröhlichen Abend.
Hat man etwas auf die Beine gestellt, heißt es sehr flott „Siehste, geht doch“. Die Leute, die einen dumm dastehen lassen wollen, sind oft die wirklich Dummen. Und können schon bald die Nächsten sein, die für dumm gehalten werden.
Auf der Liste der Angst-Themen rückt Obdachlosigkeit immer weiter nach oben. Die Wahrscheinlichkeit, dass man irgendwann stirbt, ist zwar weiterhin größer als die Wahrscheinlichkeit, auf der Straße zu landen, aber nicht mehr lange und man spricht so ungern über den Tod wie über Wohnungsmarkt und Mietpreise.
Vorwort Heinz-Peter Tjaden, Obdachloser Schimmelreiter, erscheint am 19. Mai 2023 bei Amazon und kann jetzt schon vorbestellt werden.
Schauplätze: Stuttgart, Karlsruhe, Hannover, Burgdorf, Wilhelmshaven, Jever, Funchal
Thema auch in der internetten Zeitung „Burgdorfer Kreisblatt“ Ausgabe 7/23 Hier ausdrucken